Warum „klinisch getestet“ nicht unbedingt „gut“ bedeutet
Mit allerlei Labels auf den Verpackungen werben die Hersteller von Pflege- und Kosmetikprodukten um das Vertrauen der Kunden. Verdient haben sie es nicht immer.
Es kann einen schon mal die große Ratlosigkeit überkommen, wenn man vor den üppig gefüllten Kosmetik- und Pflegeprodukt-Regalen im Drogerie- oder Supermarkt, in der Apotheke oder Parfümerie steht. Ob Shampoo, Hautcreme oder Make-up: Für jede Produktkategorie scheint es Dutzende Angebote zu geben – mindestens. Um aus dieser Masse hervorzustechen, müssen sich die Hersteller von Pflege- und Kosmetikartikeln schon einiges einfallen lassen. Und das tun sie auch. Vor allem mit Prüf-, Qualitäts- und Unbedenklichkeitssiegeln wollen sie die Verbraucher von ihren Produkten überzeugen. Denn mit „geprüfter Qualität“ kann man ja nichts verkehrt machen. Oder?
Leider doch. Viele der verwendeten, vertrauenserweckenden Label und Siegel sagen bei genauerer Betrachtung nichts aus. „Wenn Produkte als ‚klinisch getestet‘ oder ‚dermatologisch getestet‘ beworben werden, muss dahinter kein strenges und womöglich standardisiertes Testverfahren stehen. Derartige Siegel sind in der Regel nicht geschützt“, warnt die in Berlin-Mitte praktizierende Dermatologin Dr. Sybille Thoma-Uszynski.
Das bedeutet: Wer mit „getesteter“ Qualität wirbt, muss lediglich irgendeine Art von Test vorweisen können. Methodik und Probandenzahl sind irrelevant. Und auch das Ergebnis muss nicht veröffentlicht werden. Wenn ein Produkttest also negativ ausfällt, darf man dessen ungeachtet „klinisch getestet“ oder „dermatologisch getestet“ auf die Verpackung drucken.
Begriffe wie „Hautverträglichkeit“ können frei interpretiert werden
Das Gleiche gilt für Produkte, die angeblich „hautverträglich“ sind. Auch hier können die Hersteller selbst definieren, was „Hautverträglichkeit“ bedeuten soll. Reicht es, wenn bei lediglich 1 von 20 Personen, die das Präparat ausprobiert haben, Hautirritationen auftreten? Oder können es auch 2, 5 oder 9 sein, solange bei der Mehrheit der Probanden keine Reizungen beobachtet werden? Durch diese große Auslegungsfreiheit haben auch Slogans wie „Hautverträglichkeit getestet“ kaum Aussagekraft.
Wer eine unabhängige Einschätzung wünscht, kann neutrale Produkttests zurate ziehen oder vertrauenswürdige Siegelgeber recherchieren. Für Allergiker gibt es beispielsweise das Label der Europäischen Stiftung für Allergieforschung (ECARF). Wer ein neues Produkt ausprobieren möchte, sollte gegebenenfalls zuerst ein wenig davon an einer unauffälligen Hautstelle auftragen und ein paar Tage warten. Alternativ stehen auch die Hautärzte für eine individuelle Beratung zur Verfügung.